Es gibt immer noch einige Fotografen, die herabwürdigend auf die Hobbyisten schauen, die heutzutage mit ihren Smartphones scheinbar jeden Moment ihres Lebens dokumentieren. Die Bilder sind ja eh mangelhaft und unbrauchbar, die Qualität ist zu schlecht, um sie auf Plakatgrösse zu drucken und so weiter. Da mutet es ja merkwürdig an, wenn jemand mit dem Smartphone Bilder schießt, der von der Fotografie lebt.
Für mich war das Smartphone – erst zwei Android-Geräte in zwei Jahren, danach das iPhone 4S – auch kein ernsthaftes Arbeitsgerät. Ich habe gelegentliche Schnappschüsse gemacht von privaten Ausflügen, und vor allem von meinem Sohn. Praktisch, dass man auch auf die Schnelle einmal ein Video machen kann, wenn Bewegung und Ton in einer Szene spannend sind. Also ersetzte mir das Smartphone vor allem die kleine Pocket-Kamera und die Video-Kamera, die früher für die Familien-Dokumentation genutzt wurden. Aber ernsthaft damit arbeiten? Das war keine Option.
Zum Glück arbeite ich für Agenturen und bin somit nicht auf mich alleine angewiesen. Letztlich entscheide ich über meine Arbeit zwar selbst, aber die Agenturen geben Hinweise, was gesucht und gebraucht wird, wo Trends liegen, wo Material fehlt. Und eine Agentur hat im letzten Jahr beschlossen, eine eigenständige Bilderkollektion für Smart-Fotografie aufzubauen. Von anderen Agenturen wusste ich bereits, dass sie unter verschiedenen Umständen auch Bilder von Mobiltelefonen annehmen, aber das war neu: Die Smartphone-Bilder als vollwertige Kollektion zu vermarkten. Das hat bei mir Interesse geweckt, mein Telefon als Arbeitsgerät neu zu entdecken.
Die Umstellung war nicht einfach: Wenn die Bilder in voller Auflösung am Computer zu sehen sind, sieht man eindeutig „technische Mängel“, die in professionellen Umgebungen üblicherweise verpönt sind. Sichtbare Pixelung, Bildrauschen, unnatürliche Farbdarstellungen. Trotzdem haben mich die Resultate überrascht und begeistert: Man kann und darf an Smartphone-Bilder nicht dieselben technischen Anforderungen stellen wie an Fotos aus einer Spiegelreflex-Kamera. Dafür bietet das Mobiltelefon einige riesige Vorteile, die den Einsatz rechtfertigen.
Das Smartphone macht Bilder, wo die DSLR zu unpraktisch ist
Mit dem iPhone war es mir nun möglich, Fotos in Situationen zu schiessen, in denen eine DSLR einfach nicht praktikabel wäre. Ein Schnappschuss vom Fahrrad, ein Bild während des Spielens mit meinem Sohn, die kleinen eigenartigen Dinge, denen man alltäglich in der Stadt begegnet. All das lässt sich mit der Telefonkamera problemlos dokumentieren.
Und wie im Eingangsbild zu sehen ist: Das „profesionelle Equipment“, das ich typischerweise auf Reisen mitnehme, werde ich garantiert nicht Tag für Tag 16 Stunden bei mir haben. Wer nur fotografiert, wenn das perfekte Gerät zur Hand ist, der verpasst die meisten Chancen auf gute Bilder.
Wie kann man mit einer DSLR in der Hand nebenbei ein Frisbee werfen, Fussball spielen oder auf dem Fahrrad fahren (jaja…)? Sicher gibt es hier auch Fotografen, die sich auf Lomographie spezialisiert haben und ohne Blick durch den Sucher mit zufälliger Ausrichtung und Fokussierung Bilder produzieren. Das entspricht aber nicht meinen Vorstellungen, ich behalte lieber mehr Kontrolle über meine Ergebnisse. Und das bietet mir momentan nur mein iPhone.
Motiv und Look statt Qualität
Die Qualitätsansprüche der alt eingesessenen Profis (und die sich dafür halten), sind natürlich nicht von der Hand zu weisen: Wer ein grobes JPG-Bild mit 6 oder 8 Megapixel auf eine Häuserwand drucken will, der wird enttäuscht sein.
Aber hier kommt auch zum Vorschein, wer der Realität wie weit hinterher hinkt: Natürlich gibt es immer noch Werbekampagnen, die große Bilder in hoher Qualität benötigen. Aber für jedes Bild, das mit 15 oder 25 Megapixeln gedruckt wird, erscheinen hundert andere Bilder im Internet und auf Computerbildschirmen. Die Auflösungen liegen oftmals deutlich unter einem Megapixel. Das gilt auch für Werbetreibende. Ein Bild nur als „gut“ anzusehen, das theoretisch auch einen Messestand verziert, ist realitätsfremd. Ungefähr so, als wenn man ein Skateboard herabwürdigt, weil man damit nicht auf der Autobahn fahren kann.
Für Mobilfotografie – und übrigens auch für die meisten Bildbetrachter, ob es Kunden oder Leser einer Zeitung sind – zählt das Motiv weit mehr als die technische Qualität. Und vor allem ist vielen Menschen der typische Look mobiler Bilder von ihren eigenen Erfahrungen geläufig, und so identifizieren sie sich viel leichter mit diesen Bildern.
Übrigens ist die Qualität dann wieder nicht so schlecht wie von manchen angenommen: Zwei meiner Smartphone-Bilder hängen inzwischen als Leinwand-Druck bei einer meiner Agenturen. Und für die Photokina wurde ich von CEWE gebeten, ein Fotobuch mit meinen Mobilfotos zusammenzustellen – die Bilder sind knapp 30 Zentimer im Quadrat groß, und während bei einigen der typische Mobil-Look klar erkennbar ist, muss man bei manchen dann doch zwei oder drei Mal hinschauen, um es als Smartphone-Bilder zu identifizieren.
Smartphone-Bilder sind schnell: Schiessen, bearbeiten, veröffentlichen in fünf Minuten
Auch die Geschwindigkeit der Smartphone-Fotografie begeistert mich immer wieder auf’s Neue: Das Telefon aus der Tasche geholt, mit dem Daumen die Kamera aktiviert, nach wenigen Sekunden ist der Moment eingefangen. Dann kann man ihn noch mit den für Smartphone-Bildern verfügbaren Apps in einen von tausenden möglicher Looks umwandeln und hat ein kreatives Ergebnis, das man wiederum sofort mit seinen Freunden, Fans oder Agenturen teilen kann.
Schon bald werden vermutlich auch alle größeren Kameras einige dieser Vorteile integrieren, WiFi ist heute in den neuesten Modellen oft bereits verfügbar, erste Modelle bieten sogar die Möglichkeit zur Installation von Apps. Oder man überträgt das Bild auf seinen Tablet Computer, bearbeitet es dort kurz und schickt es in die Welt hinaus. Ich bin in keiner Weise ein „Purist“, der nur diese oder jene Art als richtig ansieht. Für mich stellen sich nur Fragen, welche Arbeitsmittel in welcher Situation praktisch sind. Das Telefon wird dabei immer den Vorteil haben, dass ich es überall und jederzeit in der Tasche habe. Mobilfotografie über Kamera und WiFi wird für mich auch eine Option für die Zukunft, aber sie wird meine Mobilfotografie ergänzen und nicht ersetzen.
Nicht immer die richtige Wahl
Umgekehrt wird die Mobilfotografie aber auch nicht die klassische Fotografie mit der Kamera für mich ablösen. Für viele meiner Bilder benötige ich die Einstell-Möglichkeiten und die Bildqualität, die mir eine hochwertige Kamera mit ihren lichtstarken Objektiven liefert. Nachtaufnahmen mit Stativ, Bilder mit externen Lichtquellen (Blitz oder Studiolampen) und das RAW-Format werden auf absehbare Zeit wohl kaum durch ein Telefon mit einer ein Zentimeter großen Linse adäquat zu erwarten sein.
Und ganz ehrlich: Auch das Image entscheidt mit. Selbst wenn ich dank viel Übung das Grundverständnis der Fotografie inzwischen auch auf die Fotografie mit dem Telefon übertragen kann, kaum ein Kunde würde einen Fotografen ernst nehmen, der ein Shooting mit einem Telefon und ein paar Apps abwickelt. 🙂